Kennst du das Gefühl, dass du immer wieder in denselben Konflikten steckst? Du strampelst, kämpfst, gibst alles und doch bleibt das Endergebnis immer dasselbe. Beziehungen verlaufen sich im Sand, am Arbeitsplatz entsteht unterschwelliger Groll, in der Familie spielen sich unausgesprochene Dramen ab.
Und dann kommt dieser eine Moment, in dem du denkst: Schon wieder? Warum lande ich immer in solchen Situationen?
Häufig schieben wir die Verantwortung dann an die Anderen ab, nicht wahr?
Aber vielleicht liegt die Antwort gar nicht bei den anderen, sondern in einem psychologischen Mechanismus, den wir alle, bewusst oder unbewusst, immer wieder heraufbeschwören: das Drama-Dreieck. Ein unsichtbares Skript, das uns Rollen zuweist, die wir gar nicht spielen wollen, aus denen wir aber so leicht nicht ausbrechen können.
Auch hier ist es eine grosse Hilfe, wenn wir verstehen, was in einer solchen Situation konkret passiert.
Das Drama-Dreieck
Drei Rollen – ein endloses Spiel
Der amerikanische Psychologe Stephen Karpman hat dieses Modell entwickelt, um toxische Dynamiken in zwischenmenschlichen Beziehungen zu erklären. In diesem Spiel gibt es drei Hauptrollen: das Opfer, den Täter (Verfolger) und den Retter. Die Rollenzuteilung ist nicht starr, sondern eher fliessend. Menschen wechseln oft von einer Rolle zur anderen, ohne es zu bemerken.
Das Opfer beherrscht die Kunst der Ohnmacht
Das Opfer fühlt sich machtlos, überfordert und ausgeliefert. Es glaubt, dass andere für sein Unglück verantwortlich sind, und sieht keine eigenen Handlungsmöglichkeiten.
Die Sprache eines Opfers ist oft geprägt von Sätzen wie:
„Warum passiert das immer mir?“
„Ich kann nichts tun, ich bin dem Ganzen einfach ausgeliefert.“
„Das ist einfach unfair.“
Doch das Opfer ist nicht unbedingt schwach, vielmehr kann es durchaus manipulierend agieren, indem es Schuldgefühle in anderen weckt. Es sucht nach einem Retter, der sich seiner annimmt, oder es projiziert die Schuld auf den Täter, um sich selbst von jeder Verantwortung zu befreien. Das Tragische daran ist, dass das Opfergefühl diesen Menschen in einem Zustand der Passivität festhält, welche sich im Verlauf immer wieder bestätigt.
Menschen, die häufig die Opferrolle übernehmen, haben oft früh gelernt, dass Hilflosigkeit Aufmerksamkeit und Fürsorge bringt. Manchmal war es aber einfach nur eine Strategie, um möglichst unscheinbar zu bleiben. Das kann dazu führen, dass sie unbewusst Situationen herbeiführen, die ihre Ohnmacht bestätigen, sei es durch ungesunde Beziehungen, Überforderung im Beruf oder Konflikte im Freundeskreis.
Der Täter perfektioniert die Kunst des Angriffs
Der Täter oder Verfolger besetzt die Rolle, in welcher er der Druck auf andere ausübt. Er macht Vorwürfe, kritisiert oder wertet ab, um Kontrolle zu behalten.
Sein Verhalten ist oft durch Sätze wie diese geprägt:
„Das ist deine Schuld.“
„Jetzt stell dich nicht so an.“
„Du kannst einfach gar nichts.“
Die Energie des Täters ist konfrontierend, dominant und oft auch verletzend. Doch hinter dieser Maske steckt nicht selten die Angst vor Kontrollverlust, die Angst davor, selbst verletzt zu werden oder Angst, sich mit den eigenen Unsicherheiten auseinandersetzen zu müssen.
Viele Menschen, die sich oft als Täter verhalten, haben früh gelernt, dass sie nur durch Dominanz oder Strenge Sicherheit gewinnen können. Sie wurden vielleicht selbst als Kinder stark kritisiert und haben übernommen, dass nur durch eine gewisse Strenge, das Leben zu bewältigen ist. Doch ihr Verhalten führt nicht zu echter Stärke, sondern zu Einsamkeit. Denn niemand fühlt sich gerne einem Verfolger untergeordnet.
Ironischerweise rutscht der Täter schnell selbst in die Opferrolle. Wenn sich Menschen von ihm abwenden oder ihn als „bösen“ Menschen sehen, wird er sagen: „Es versteht mich einfach niemand! Ich wollte doch nur helfen.“
Der Retter verliert sich im Drang zu helfen
Der Retter ist die edelste Figur im Drama-Dreieck, zumindest auf den ersten Blick. Er will helfen, unterstützen und retten. Doch das Problem ist, seine Hilfe kommt oft ungefragt. Ein Retter glaubt, dass er für das Wohl anderer verantwortlich ist, und bemerkt nicht, dass es ihn vielleicht gar nicht braucht.
Typische Gedanken und Sätze eines Retters sind:
„Ich helfe dir, du brauchst mich.“
„Ohne mich würdest du das nicht schaffen.“
„Ich werde das für dich erledigen.“
Das Dilemma des Retters ist, dass er sich oft aus einem eigenen inneren Mangel heraus in diese Rolle begibt. Vielleicht fühlt er sich nur wertvoll, wenn er gebraucht wird. Vielleicht lenkt er durch das Retten anderer von seinen eigenen Problemen ab.
Doch was passiert, wenn der Retter irgendwann erschöpft ist oder seine Hilfe nicht angenommen wird? Er ist enttäuscht, und fühlt sich plötzlich selbst als Opfer. Oder er wird wütend und wird zum Täter, indem er dem Opfer Vorwürfe macht, dass es seine Unterstützung nicht zu schätzen weiss.
Hier zeigt sich die Dynamik des Drama-Dreiecks besonders deutlich: Rollen wechseln, und das Spiel beginnt leider immer wieder von vorne.
Es ist genauso wichtig zu verstehen, dass wenn du dich als Opfer siehst, damit gleichzeitig jemand anders zum Täter machst und umgekehrt!
Wie du aus dem Drama-Dreieck aussteigst
Der erste Schritt ist, das Spiel zu durchschauen. Solange du noch glaubst, dass es immer die anderen sind, die dich ausnutzen, kritisieren oder im Stich lassen, bleibst du gefangen. Doch wenn du beginnst, deine eigene Rolle zu erkennen, öffnet sich eine Tür zur Selbstverantwortung.
Wenn du oft in der Opferrolle steckst, frage dich:
Was kann ich selbst tun, um meine Situation zu verändern? Welche kleinen Schritte bringen mich aus meiner Ohnmacht heraus?
Wenn du dich oft als Täter wiederfindest, frage dich:
Warum fällt es mir schwer, Dinge einfach geschehen zu lassen? Wovor schützt mich meine Härte?
Wenn du merkst, dass du immer wieder in die Retterrolle rutschst, frage dich:
Helfe ich wirklich aus reiner Fürsorge oder will ich einfach gebraucht werden? Kann ich es aushalten, wenn andere ihren eigenen Weg finden, ohne dass ich eingreife?
Das Drama-Dreieck funktioniert nur, weil es auf gegenseitigen Reaktionen basiert. Sobald du aus deiner Rolle aussteigst, bricht die Dynamik zusammen. Das bedeutet nicht, dass du nie wieder helfen darfst oder nie wieder für dich einstehen sollst. Es bedeutet vielmehr, dass du ganz bewusst handelst und nicht aus einem alten, unbewussten Muster oder einer nicht mehr nötigen Strategie heraus.
Es ist ein stilles Austreten aus dem Spiel. Keine grossen Reden, keine Schuldzuweisungen, kein Kampf. Sondern ein tiefes Verstehen. Du kannst jederzeit entscheiden, deine Rolle loszulassen.
Wenn du das schaffst, passiert etwas Magisches!
Das ewige Drama, das dich vielleicht seit Jahren begleitet, beginnt sich aufzulösen. Konflikte verlieren ihre Schärfe, Beziehungen werden klarer und deine Energie fliesst nicht mehr in endlose Machtkämpfe.
Das Drama-Dreieck ist kein Schicksal. Es ist ein Muster. Und Muster können durchbrochen werden.
Egal welche Rolle dir im Spiel des Lebens zugeteilt wird, du hast immer die Wahl, ob du sie annimmst oder nicht. Du kannst dich auch während des Films jederzeit ganz einfach entscheiden auszusteigen. Es liegt an dir!
