Perfekt sein ist alles

Geschrieben von Miriam Meister

2. Juni 2022

Nicht erst heute, auch schon in früheren Zeiten war es enorm wichtig, wie man sich im Aussen verhielt. Kleinere Fauxpas wurden genauso wenig toleriert, wie dies heute der Fall ist. Wo früher die Eltern oder das direkte Umfeld die Richtung wies, sind es heute die übervollen Social- Media-Kanäle. Jeder weiss da Rat, was man zu tun oder zu lassen hat. Speziell jene, welche viele Follower haben, wissen Vieles noch etwas besser als alle anderen. Der Trend hin zu einem äusserlichen Einheitsbrei erfreut sich seines stetigen Wachstums.

Schon unsere Jüngsten wissen ganz genau, wie man auszusehen oder überhaupt zu sein hat. Was aber passiert mit all diesen wunderbaren Menschen, welche nicht so sind, wie gewünscht. Sie machen sich auf die Suche nach vielen Dingen, ebenfalls im Aussen, mit welchen es vielleicht gelingt, etwas näher an diese Vision heranzukommen, denn perfekt sein ist das Ziel, immer.

Aber wie ist man denn perfekt?

Da wären also ganz spezielle Schuhe oder Kleider, welche jemanden perfekt machen. Eine bestimmte Figur, welche alle paar Jahre wieder andere Trends setzt, welcher nachgeeifert werden muss. Ob dies von der körperlichen Veranlagung her möglich ist oder nicht, interessiert niemanden. Dies alles wird noch getoppt mit vielen Falschaussagen, welche nicht mehr hinterfragt werden und durchaus gefährlich werden können. Der heutige Fokus führt uns direkt in ein fremdbestimmtes Leben. Das eigene Sein, verliert seinen wichtigen Stellenwert.

Ist es wirklich das, wofür es sich lohnt zu kämpfen?

Ich behaupte ganz klar NEIN. Nicht wenige meiner Klientinnen und Klienten haben sich jahrelang sagen lassen, wie sie/er zu sein hat und wie nicht. Die Folge ist, dass der Aktionsradius immer kleiner geworden ist, soweit, bis sie sich selbst nicht mehr wussten, wie sie stehen, sitzen oder schlafen sollen. Sie haben vergessen, wer sie in ihrem tiefsten Inneren wirklich sind.

Wer bin ich eigentlich?

Diese Frage einer jungen Klientin, machte mich nachdenklich und traurig zugleich. Da habe ich plötzlich verstanden, wohin uns dieser aktuelle Trend wirklich führt. Dahin, wo eine eigene selbstbestimmte Existenz nicht mehr möglich ist.

Es ist ein langer Weg, zu vergessen was dir die Gesellschaft beigebracht hat, wie du zu sein hast. Mache den ersten Schritt und erinnere dich wieder daran, wer Du wirklich bist.

Ich werde nie perfekt sein

Dies sagte mir eine ältere Klientin. Was entgegnet man auf eine solche Aussage?
Was richtig oder falsch ist weiss ich nicht. Aber ich weiss was ich daraufhin gesagt habe. Ich fragte sie, wer denn gesagt habe, sie müsse perfekt sein.
Innert Sekunden begann die Frau zu weinen und sagte, ihre Eltern hätten immer gesagt, sie müsse perfekt sein, um ein erfolgreiches Leben führen zu können. Da sie kein erfolgreiches Leben führe, sei sie offenbar einfach nicht perfekt genug. Da stellt sich die Frage, für wen man denn gut genug sein muss. Was meinst Du? Genau, ausschliesslich für dich selbst. Dies zu erkennen muss erst wieder erlernt werden.

So ist es leider sehr oft. Eine Verletzung oder eine wiederholte negative Suggestion in den Kindheitsjahren kann sich ein Leben lang auswirken.

In diesen Fällen erzähle ich gerne Geschichten. Geschichten öffnen das Tor zum Unterbewusstsein auf eine wunderbare, sehr einfache Art und Weise.

Hast auch Du Lust auf eine Geschichte?

Es war einmal eine alte Frau, die weit abseits des Dorfes wohnte. Jeden Tag holte sie mit ihren beiden Krügen, welche sie an einer Stange über ihren Schultern trug, frisches Wasser vom Fluss. Sie füllte die Krüge randvoll und machte sich wieder auf den Weg zu ihrer Hütte.
Einer ihrer beiden Krüge hatte einen grossen Sprung, weshalb sie immer nur anderthalb Krüge Wasser mit nach Hause brachte.
Der kaputte Krug fühlte sich sehr schlecht, da er nicht so perfekt war, wie der Andere. Eines Tages sagte er zu der alten Frau:» Warum trägst Du mich jeden Tag zum Fluss, füllst mich mit Wasser und trägst mich wieder nach Hause? Ich bin doch kaputt und leiste Dir keinen Dienst mehr.«
Die alte Frau lächelte und fragte ihn:» Hast Du schon einmal gesehen, wie wunderschön die Blumen auf deiner Wegseite blühen? Ich wusste, dass es dir nicht recht ist, weil du durch deinen Sprung so viel Wasser verlierst. Darum habe ich auf deiner Seite des Weges Blumensamen gesäht. Jeden Tag erfreue ich mich an diesen wunderschönen Blumen. Wenn ich sie pflücke und in einer Vase auf den Tisch stelle, erfreuen sie auch meine Gäste daran. Jeden Tag giesst du diese Blumen und dafür bin ich dir sehr dankbar. Wenn Du genau so perfekt wärst, wie der andere Krug, gäbe es diese Blumen gar nicht.»
Von dem Tag an, war der kaputte Krug stolz auf seinen Sprung, weil er wusste, dass er damit einen wichtigen Beitrag leistet.

Perfekt sein wollen ist eine Gier, durch die man mehr verliert als gewinnt. Du allein bestimmst, wohin dich dein Weg führt. Bei diesem ewigen Wettrennen gibt es nur Verlierer. Höre einfach damit auf mitzurennen. Wenn du es schaffst auszusteigen, hast du gewonnen.

Es sind die Sprünge, die wir haben, welche uns ausmachen. Manchmal reicht es, einfach etwas Blumensamen in der Tasche zu haben, die wir bei Bedarf an unserem Wegesrand streuen können.

In diesem Sinne wünsche ich Dir ganz viel Kreativität, um Deinen Sprüngen Glitzer zu verleihen.

Herzlich
Miriam

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